Nur ein alter Kater.....
oder - am Ende der der Zeit!
von Karin Lemanowicz




Der alte Kater war müde. Es war Weihnachten am Heiligen Abend. Der Wind war schneidend kalt, der Schnee wehte ihm ins Fell, in die Ohren, in die Nase. Er war am Ende seiner Jahre und am Ende seiner Kräfte. Er war schwach und krank, sehr krank.

Der alte Kater lief auf ein Haus zu, seit Tagen ging es ihm schlecht und er hatte nichts gefressen. Er sprang auf eine Fensterbank und schaute in die Stube. Die Menschen feierten das Weihnachtsfest. Der Kater sah den hellerleuchteten Weihnachtsbaum. Er drückte sich an die Scheibe, so als wolle er von der Wärme drinnen etwas spüren. Er schlief ein wenig und seine Gedanken gingen zurück.

Viele schöne Jahre hatte er mit seinem Menschen gehabt. Sehr alt waren beide, der Mann und der Kater. Beide waren am Ende der Zeit. Oft sassen sie auf der Bank vorm Haus in der Sonne. Die Hand des alten Mannes ruhte in dem Fell des alten Katers und beide schliefen ein wenig in der Sonne ein, es war schön warm.

Immer hatte der Kater einen warmen Platz am Ofen, immer einen gefüllten Napf und immer eine liebevolle Behandlung. Der alte Mann hatte den damals jungen Kater bei sich aufgenommen, als seine Menschen ihn nicht mehr wollten und verstiessen. Sie waren im Laufe der vielen Jahre ein eingespieltes Paar geworden, der Kater und der alte Mann. Peterle hatte der alte Mann ihn gerufen.

Sie lebten abseits der Stadt vor einem Waldstück in einem alten aber gemütlich eingerichtetem Holzhaus. Der alte Mann war arm, lebte von dem Ertrag seiner geschnitzten Holzfiguren, aber beide lebten voller Zufriedenheit, hatten genug zu essen und immer war es warm im Winter in dem Holzhäuschen.

Wenn er wollte konnte er bei schönem Wetter im Garten Mäuse fangen, oder auch mal über die, hinter dem Haus liegenden Felder streifen. Bei schlechtem Wetter verdöste er den ganzen Tag an seinem Lieblingsplatz, am Fenster auf seiner dicken warmen Wolldecke und sah dem alten Mann beim Holzfigurenschnitzen zu.

So gingen fast 18 Jahre daher, voller Zufriedenheit. Eines Tages, der alte Kater kam von seinem Streifzug zurück, sah er noch, wie der alte Mann in einem Krankenwagen weggefahren wurde.

Der alte Kater war irritiert und kam zögerlich auf das Haus zu. In der Stube des Hauses waren einige fremde Menschen, es wurde laut durcheinander geredet und es war hektisch. Der alte Kater kam durch die Türe und wollte wie immer auf seine warme Decke am Fenster springen. Aber er wurde unsanft rausgejagd und die Tür wurde verschlossen.


Der alte Mann kam nicht mehr, solange der Kater auch wartete. 6 Wochen verharrte er noch unter der Bank am Haus, schlich immer wieder um die Fenster, kratzte an der Tür. Keiner machte ihm auf, alles blieb still und dunkel.

Bei Regen und Wind fand er ein wenig Schutz unter den Büschen im Garten.
Hin und wieder fing er mal eine Maus. Er wurde immer dünner, hatte Hunger und sein sonst so schönes glänzendes getigertes Fell wurde stumpf, schütter und er wurde immer schwächer. Dann, als die Bäume keine Blätter mehr hatten und kein Strauch mehr Schutz vor Regen und Wind gab, kamen Menschen und räumten die Stube aus. Der alte Kater sah seine Decke, sein Körbchen, seinen Futternapf. Er wollte nocheinmal hin, wurde aber wieder verjagd. Und dann kam der Abrißbagger und das Häuschen in dem beide so glücklich gelebt hatten, stand nicht mehr!

Die eisige Kälte und die Nässe brachten den alten Kater in die Wirklichkeit zurück. Es war Heiliger Abend. Der abgemagerte kranke Streuner, von Menschen verjagd, von Hunden gehetzt, schaute wieder durch das Fenster. Die Menschen waren fröhlich, die Stube sah nach Wärme und Geborgenheit aus. Die Menschen aßen und tranken, die Kinder lachten und packten ihre Geschenke aus.
Aber keiner bemerkte den alten kranken Kater.



Er sehnte sich so sehr nach dem alten Mann, nach seiner streichelnden Hand, die er gerade meinte zu spüren und nach seiner sanften Stimme, die er gerade meinte zu hören
"Peterle - wo ist denn mein Peterle?"

Ganz weit weg war die vertraute Stimme. Aber Peterle war zu schwach für ein fröhliches Maunzen, seine Glieder waren steif, er konnte sich nicht bewegen.

Er sehnte sich so sehr nach der Geborgenheit und Wärme der letzten Jahre und nach einer Mahlzeit.
Es ging auf Mitternacht zu. Die Stube war dunkel, die Kinder lagen wohlig in ihren warmen Betten. Der Wind pfiff eisiger in das Fenster, die Schneeflocken wurden dicker und dichter bis das Fenster zugeschneit war und der alte Kater ganz unter der weißen weihnachtlichen Decke verborgen war.
Peterle war gestorben.